Leseproben aus Brendel's Büchern


Für die Unterstützung und vor allem die Erlaubnis zur Veröffentlichung dieser Leseproben bedanke ich mich recht herzlich bei Frau Lucia Wild vom Carl Hanser Verlag in München.

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Köln
aus "Fingerzeig"

Die Huster von Köln
haben sich mit den Kölner Klatschern
zu einer Hust- und Klatschgemeinschaft zusammengeschlossen
deren erklärtes Ziel es ist
die Hust- und Klatschrechte
der Kölner Konzertbesucher wahrzunehmen
Der Versuch verständnisloser Künstler und Veranstalter
solche Privilegien in Frage zu stellen
mußte eine Hust- und Klatsch-Initiative
zur Folge haben
Den Mitgliedern des Hust- und Klatschvereins
obliegt genaueste Kenntnis der Musikstücke
damit nach feierlichen Schlüssen unverzüglich geklatscht
und bei leisen Stellen
zumal in der lähmenden Stille von Generalpausen
deutlich gehustet werden kann
Die Deutlichkeit des Hustens
ist oberste Verpflichtung
schamhafte Verbergung desselben
oder gar selbstquälerische Unterdrückung eines so natürlichen Vorgangs
bei Strafe des Ausschlusses untersagt
Wiederholter Serien- oder Dauerhusten
wird mit der "Huste nur" - Medaille prämiiert
Der neuerdings stattfindende Kontakt der
Kölner HKG
mit den New Yorker Niesern
und den Frankfurter Jungpfeifern
läßt für das Kölner Musikleben
auch in Zukunft
Großes erwarten

Alfred Brendel, Fingerzeig
© 1996 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung

 


 

Krokodil
aus "Fingerzeig"

Als der Großwildjäger
zur Freude des Krokodils
in den Fluß gefallen war
erwog dieses
aus welcher Freßrichtung
der dicke Mann
am besten zu verspeisen sei
fußaufwärts
kopfabwärts
baucheinwärts
Oder sollte man vielleicht
um den Magen zu schonen
erst die Zehen einzeln genießen
und sich dann
gründlich kauend
bis zu den Ohren hocharbeiten
Der Gefahr des Sodbrennens
wäre durch Einspeicheln zu begegnen
das Schießgewehr aus Verdauungsgründen
ins Flußbett abzustoßen

Während das Krokodil
solchen Gedanken nachhing
schwamm der Großwildjäger entschlossen ans
rettende Ufer
wo ihn

(im Buch folgt eine neue Seite)

die Hand sträubt sich es niederzuschreiben
ein Löwe gefressen hat

Alfred Brendel, Fingerzeig
© 1996 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung

 


 

Still sitzen
aus "Störendes Lachen beim Jawort"

Man muß ganz still sitzen
um das Gras wachsen zu hören
Nicht jeder weiß was das heißt
still sein
ruhig atmen
weder schnaufen noch röcheln
nichts rühren
nur ganz vorsichtig die große Zehe bewegen
nichts fallen lassen
auf keinen Fall reden
nicht einmal flüstern
um Gottes willen nicht husten
an nichts und alles denken
Sehen kann man es zwar nicht
aber hören
wenn man lauscht
eine kleine Grasmusik
Plötzlich weiß man
was passieren wird
man ahnt das Kommende
Nur noch ein wenig Geduld
dann erfährt man
die Börsenkurse von übermorgen

Alfred Brendel, Störendes Lachen
© 1997 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung

 


 

Kamel
aus "Störendes Lachen beim Jawort"

Als es erwachte
lag das Kamel auf dem Rücken
Das soll wohl ein Scherz sein
Wann
so frage ich Sie
hat ein Kamel
sich jemals schon
auf den Rücken gelegt
Sie haben es erraten
Die Höcker waren weg
Stehend
äugte es hinter sich
nichts wogte dort
nur sein Selbstverständnis wankte
Ohne Wülste
wo gehört man da hin
war man da
noch Kamel
oder bereits Pferd
Seinen Auftritt in Aida
konnte es jedenfalls vergessen
es sei denn
sie banden ihm zwei Säcke obenauf
Vielleicht verdingte es sich als Roß
sattelte um auf Die Walküre
ein dickes Weib auf dem Rücken
Wenn nichts mehr ging
blieb immer noch das Nadelöhr
eine schwierige Nummer wäre das allerdings
Da müßte man ausgiebig fasten
dünner und flacher werden
und den linken Fuß in der Luft zwirbeln
damit er beim Einfädeln
die Öffnung nicht verfehlte

Alfred Brendel, Störendes Lachen
© 1997 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung

 


 

Von Teufeln (Nr. 7)
aus "Kleine Teufel"

Daß es Teufel
im Grunde gar nicht gibt
hat uns kürzlich
der Leibhaftige selbst verraten
Wir haben dies
betrübt zur Kenntnis genommen
und beschlossen
in Zukunft
uns selbst an die Wand zu malen

Alfred Brendel, Kleine Teufel
© 1999 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung

 


 

Mozart
aus "Kleine Teufel"

Als Mozart ermordet worden war
ahnte niemand
nicht einmal Haydn
daß kein Geringerer als Beethoven
die ruchlose Tat begannen hatte
Während einer Landpartie
da Mozart
vom Bockspringen ermüdet
im Grase ruhte
näherte sich Beethoven
als Salieri verkleidet
mit der Geräuschlosigkeit einer Katze
und träufelte dem Schöpfer der Kleinen Nachtmusik
Gift ins Ohr

An dieser Stelle wäre einzuflechten
daß es im Leben Beethovens
ein gut gehütetes Geheimnis gab
Beethoven WAR EIN NEGER
und Mozart HATTE ES BEMERKT
Nach einem von Beethovens berühmten Fortepiano-Vorträgen
hörte man Mozart halblaut zu Süßmayr sagen
Für an Nega spülta netamoi schlecht
Nun lag er da
und das Gift gluckste in ihm

Grimmig in sich hineinlachend
schlich der junge Übeltäter davon
im festen Besitz der Tonart c-moll
die ihm
von dieser Stunde an
keiner mehr streitig machen würde

Alfred Brendel, Kleine Teufel
© 1999 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung

 


 

Klavier
aus "Kleine Teufel"

Daß man Klaviere
nicht nur kochen
sondern auch räuchern kann
hat erst kürzlich
ein purer Zufall
ans Licht gebracht
Ein Kellerbrand
im lokalen Klavierhaus
förderte überraschend zutage
daß geräucherte Flügel
nobler klingen als gekochte
In riesigen Kaminen
hängen sie nun
die musikalischen Freudenspender
wie schwarze Schinken
bevor sie
rauchgrau und würzig
den Kenner zufriedenstellen
Von der Gepflogenheit
Flügel
je nach Geschmack und Neigung
hart- oder weichzukochen
als seien sie Eier
will die Firma Bösenstein
in Zukunft Abstand nehmen

Alfred Brendel, Kleine Teufel
© 1999 Carl Hanser Verlag, München - Wien
Mit freundlicher Genehmigung


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